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Piratenpartei schiebt Begründungsverfahren der Rasterfahndung der SoKo “Schulweg” an

30.07.2009

Bei der von der Soko „Schulweg“ initiierten Rasterfahndung zur Suche eines Sexualverbrechers ist Kritik laut geworden. In der letzten Woche hat die Polizeidirektion Halle Süd bei der Staatsanwaltschaft Halle einen Antrag auf Durchführung einer länderübergreifenden Fahndung gestellt. Dabei wurde die allein landeshoheitliche Kompetenz des eingeschalteten Amtsgerichtes Halle nicht berücksichtigt. Daraufhin abgegebene Stellungnahmen der Sprecher des Landesinnenministeriums lassen auf einen ungenügend ausgearbeiteten Begründungsumfang des Antrages auf Rasterfahndung durch die Polizei und der Staatsanwaltschaft Halle schließen.

Des Weiteren wurden die Kriterien der Rasterfahndung nicht offen gelegt, obwohl durch die Umkehr des Prinzips der Unschuldsvermutung als schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt. Solange auch keine nach SOG §31(4) schriftlich begründete Anordnung durch den Behördenleiter oder seinen Stellvertreter und der Zustimmung des Ministers des Innern vorliegt, ist die Rasterfahndung momentan nicht gesetzlich abgedeckt.
Weiterhin wurde versäumt nach SOG §31(4), den Datenschutzbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt von der Maßnahme in Kenntnis zu setzen. Dieser gab nach Anfrage der Piratenpartei Sachsen-Anhalt folgende Stellungnahme ab:

“Durch Hinweise aus den Medien wurde der Landesbeauftragte darauf aufmerksam, dass im Zusammenhang mit der Suche nach einem Sexualstraftäter das Amtsgericht Halle (Saale) auf Antrag der Staatsanwaltschaft Halle die Durchführung einer Rasterfahndung im Bereich von Halle, Borna und Jena angeordnet hat. Die Gerichte unterliegen in ihrer rechtsprechenden Funktion nicht der Kontrolle des Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Der Landesbeauftragte hat die verfahrensleitende Staatsanwaltschaft um eine weitergehende Erläuterung ihres Antrags zur Rasterfahndung gebeten. Unabhängig hiervon ist der Landesbeauftragte von Gesetzes wegen auch nach Abschluss der Rasterfahndung zu unterrichten. Im Gegensatz zum Anzeigen einer Maßnahme bedeutet Unterrichten umfassende Information.

Angesichts der großen Streubreite einer solchen Maßnahme, von der nahezu ausschließlich rechtstreue Personen betroffen sein werden, hat der Gesetzgeber besondere Anforderungen für die Durchführung einer Rasterfahndung festgelegt. Der Landesbeauftragte wird im Rahmen seiner Befugnisse die Durchführung der Rasterfahndung durch die Ermittlungsbehörden prüfen.

Der Landesbeauftragte weist darauf hin, dass Personen, die sich von der Rasterfahndungsanordnung zu Unrecht in ihren Rechten beeinträchtigt sehen, unmittelbaren Rechtsschutz gegen diese Maßnahme nicht durch den Landesbeauftragten, sondern nur nach den einschlägigen Verfahrensbestimmungen der Strafprozessordnung erlangen können.”

Laut neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen des Max-Plank-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg wurden bei den bisher durchgeführten Rasterfahndungen in ganz Deutschland eine mangelhafte richterliche Kontrolle, veralterte Software, technische Schwierigkeiten und ganz gravierend eine sehr niedrige Erfolgsquote festgestellt. Weiter stellt der federführende Jurist Dirk Pehl fest: „Die Benachrichtigung von Datenschutzbeauftragten und betroffenen Personen findet in der Regel nicht statt. In der gesetzlichen Ausgestaltung der Rasterfahndung fehlt es an einer eindeutigen Zuständigkeitsregelung. Zwischen den beteiligten Ermittlungsbehörden besteht Dissens bzgl. der Zuständigkeit zur Benachrichtigung. Darüber hinaus bedarf die Frage einer Klärung welche vom Datenabgleich betroffenen Personen zu benachrichtigen sind. Eine Initiative des Gesetzgebers zur Behebung dieser Missstände wäre wünschenswert.“
Es ist erschreckend festzustellen, dass genau diese Punkte auch auf die geplante Rasterfahndung in Sachsen-Anhalt zutreffen und damit höchstrichterliche Vorgaben für dieses “allerletzte Mittel” der polizeilichen Ermittlungsarbeit nicht beachtet werden.
Um den Bürger vor der Willkür der ermittelnden Organe aufgrund der mangelnden gesetzlichen Regelung zu schützen, fordert die Piratenpartei Sachsen-Anhalt eine Veröffentlichung des Begründungsumfangs der Rasterfahndung, eine entsprechende eindeutige Formulierung der Zuständigkeiten der Ermittlungsbehörden und die Klärung des Datenverbleibs betroffener Personen. Das Landesinnenministerium wird hiermit aufgefordert, eine Überarbeitung des §31 SOG vorzulegen, um der Rasterfahndung in Sachsen-Anhalt eine rechtsstaatliche Absicherung geben.

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